Einsatz in Moldawien

Markus Zuberbühler, 1. Mai 2025

Grossmutter mit Enkelin und deren 5 Kinder

Ein kleines Team von GuB reiste im April 2025 nach Moldawien, um das seit 10 Jahren unterstützte Projekt von Bruder Dima unter Menschen mit Behinderungen vor Ort persönlich kennenzulernen. Eine Woche lang begleiteten wir Mitarbeitende von OM Moldawien und Bruder Dima, einem bemerkenswerten Mann und Tetraplegiker, der sich mit grossem Einsatz um Menschen mit Behinderungen kümmert.

 

Erste Eindrücke: OM-Base, Gemeinschaft und Einblicke

Schon bei der Ankunft in Chisinau, der Hauptstadt Moldawiens, wurde klar: OM Moldawien ist weit mehr als nur eine Missionsorganisation. Die Mitarbeitenden engagieren sich in vielen Bereichen – von humanitärer Hilfe über Schulungen bis zur Gemeindegründung. Die Zusammenarbeit mit Bruder Dima, der nicht formell zu OM gehört, aber eng mit ihnen verbunden ist, bildet dabei ein besonderes Segment: der Dienst an Menschen mit Behinderungen, oft in extrem prekären Lebensverhältnissen.

Nach ersten Treffen, Gesprächen und etwas Kultur startete der Kern des Besuchsprogramms: zehn eindrückliche Hausbesuche, begleitet durch Einheimische, die in den jeweiligen Ortskirchen mitarbeiten. Bei jedem dieser Besuche übergaben wir auch ein Lebensmittelpaket im Wert von rund 25 Euro, gefüllt mit Grundnahrungsmitteln und Hygieneartikeln.

Menschen in tiefer Not – und doch voller Dankbarkeit

Am dritten Tag reisten wir nach Cahul, das etwa 200 km südlich von Chisinau liegt. Wir trafen um 10 Uhr pünktlich zur Bibelstunde von Bruder Dima ein. 40 bis 50 Personen waren im unteren Geschoss der Baptistenkirche versammelt. Die Versammlung dauerte drei Stunden. Es wurde viel gesungen und gebetet. Zwei Männer spielten abwechselnd auf ihrer Handorgel. Einer der beiden war blind. Der Pastor der Gemeinde hielt eine Predigt, verschiedene Frauen trugen ein Gedicht vor und zwei Frauen erzählten ihre Lebensgeschichten.

Nach einem feinen Essen ging es nach dem Mittag los mit den Hausbesuchen. Zuerst trafen wir Aliona, die aufgrund ihrer CP seit 13 Jahren nur noch im Bett liegt und seither nicht mehr aus dem Haus kam. Ihre über 80-jährige Mutter Valentina – fast blind, aber geistig wach – kümmert sich aufopfernd um sie. Eine Nachbarin hilft bei der Pflege. Ihre Dankbarkeit und ihr Glaube berührten uns tief.

Ein Schock war der Besuch bei Lidia, die in einem verwahrlosten, baufälligen Haus lebt. Die Wände und das Dach haben Löcher. Der Holzboden ist morsch und durchgebrochen. Die Küche besteht aus einem Gaskocher auf dem Boden. Ihre Tochter arbeitet als Prostituierte in der Türkei und hat selber zwei Kinder. Die Tochter hat sie bereits für 150 Euro an Menschenhändler verkauft. Und den 14-jährigen Sohn wollte sie an Organhändler verkaufen. Dies konnte die Grossmutter bisher verhindern. Ihre Geschichte zeigt, wie Armut, soziale Isolation und Menschenhandel ineinandergreifen – und wie wichtig jede Form von Unterstützung ist.

Eine dritte Familie bestand aus drei Generationen, die unter einfachsten Bedingungen lebten: eine Grossmutter, ihre Enkelin und deren fünf Kinder – alle mit teils sichtbaren Beeinträchtigungen. Der Mann der Enkelin hat zwar Arbeit. Der Lohn reicht aber nicht für die Versorgung der Familie sowie Medikamente. Die Familie überlebte nur durch die Hilfe der Kirche und der initiativen Grossmutter, die für die ganze Sippe Verantwortung übernimmt.

Hoffnung durch Hilfe – bewegende Einblicke

Ein besonders eindrucksvoller Besuch galt Vitali, einem 45-jährigen Mann mit Ghbehinderung, der allein in einem kleinen, einfachen Haus lebt. Seine Eltern waren Alkoholiker und haben ihn nie gefördert und sich für ihn geschämt. Seit ihrem Tod lebt er allein in dem Haus. Er bewegt sich im Haus meist auf den Knien vorwärts, versorgt sich selbst, ist gut organisiert und hilft selbst anderen in Not. Bruder Dima hatte ihm einst gesagt: „Ich helfe dir, wenn du auch bereit bist, anderen zu helfen.“ Diese Haltung lebt Vitali – trotz seines eigenen herausfordernden Umständen. Mit der Anaschaffung eines Rollers konnte er sich selber ein grosses Stück Freiheit ermöglichen.

Weiter ging es zu Maria. Sie ist über 80 Jahre als, war früher ein tragendes Mitglied ihrer Kirchengemeinde. Nach einem Sturz und misslungenen Operationen an den Beinen ist sie bettlägerig. Sie war früher eine bekannte Sängerin und sang uns aus ihrem Bett zwei christliche Lieder vor. Auch bei ihr ist die Kraft und die Hoffnung, welche sie aus dem Glauben schöpft deutlich erkennbar.

Ebenfalls beeindruckend war der Besuch bei Natalia und Katharina, zwei älteren Schwestern. Die eine fast blind und taub, die andere mit schwerer Gehbehinderung. Natalia versorgt neben ihrer Schwester auch noch einen Enkel. Auch bei ihnen reicht die geringe Rente vom Staat nicht weit und ohne regelmässige Unterstützung durch die Kirche kämen sie nicht über die Runden.

Alltag ohne Strom und auch ohne Hoffnung?

In einem Altbau aus Zeiten der Sowjetunion besuchten wir den 55-jährigen Vadim, der seine über 80-jährige demente Mutter pflegt. In der Wohnung herrscht das Chaos und der Geruch macht einem das Atmen schwer. Seit der Boiler defekt ist, wäscht Vadim die Wäsche mit kaltem Wasser mit einer Art «Waschmaschine» … ebenfalls aus Sowjetzeiten. Beide trinken und haben deshalb auch immer zu wenig Geld für das Nötigste. Lebensmittel findet Vadim wenn es sein muss auch mal in den Abfallkübeln. Der Glaube bedeute ihm scheinbar nicht viel. Trotzdem bekommt er Hilfe von der Kirche und Bruder Dima. Demnächst ist geplant, die Wohnung aufzuräumen. Wir übergaben Dima das Geld für einen neuen Boiler. Nach einer längeren Umarmung und Zusagen aus der Bibel haben wir für Vadim und seine Mutter gebetet.

Tatjana, eine Rollstuhlfahrerin, lebt mit ihrer Mutter in einem kleinen Haus. Sie hat eine Gehbehinderung und ist im Rollstuhl und draussen mit einem Roller unterwegs. Sie arbeitet täglich in einer Fabrik, einfach solange, wie ihre Kräfte es zulassen. Sie hat zwei Töchter und auch schon mindestens ein Grosskind, die sie ab und zu besuchen. Sie kämpft still um Normalität für ihre Familie und für ihre Würde. Als wir sie fragten, worin ihre Hoffnung liege, wurde sie und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Wir beteten für sie und ihre Familie.

Letzte Besuche in Chisinau

Zurück in Chisinau besuchten wir Valerian, der sein rechtes Bein durch Diabetes verlor. Er lebt zurückgezogen in seiner Wohnung im 3. Stock und konnte seit 3 Jahren das Haus nicht mehr verlassen. Er ist gut organisiert und kann sich selber recht gut pflegen bzw. seine Wunden verbinden. Frauen von der Kirche kommen regelmässig vorbei, um seine Wohnung zu putzen. Täglich bekommt er von der Kirche auch eine warme Suppe. Trotz allem hat er seinen Humor nicht verloren. Er träumt davon, mit Prothesen wieder nach draussen zu gehen. An seiner linken Ferse hat er aber auch schon eine grosse Wunde, die nicht mehr zuwachsen will.

Abschliessend besuchten wir noch Sergej in seinem Gartenhaus in der Nähe des Flusses. Sergej hat in einer Autowerkstatt gearbeitet. Vor 20 Jahren hat er Einbrecher in der Garage gestellt, wurde in einen Kampf verwickelt und hat dabei einen starken Schlag an den Kopf erhalten. Sein Gehirn hat Schaden genommen, weshalb er sich nun nur sehr undeutlich äussern kann und sich unkoordiniert bewegt. Dennoch arbeitet er gerne in seinem Garten und mit den Hühnern und Gänsen.  Sergej war verheiratet und hat zwei Töchter und seit kurzem sogar ein Grosskind. Seine Frau und die Töchter wollten jedoch nach seinem Unfall – sehr wahrscheinlich aus Scham –  nichts mehr mit ihm zu tun haben. Seither lebt er alleine in dem Gartenhaus, das ihm sein Bruder zur Verfügung stellt. Eine Freundin seiner verstorbenen Mutter und seine Schwester besuchen ihn jede Woche uns unterstützen ihn. Auch Sergej machte eigentlich einen zufriedenen Eindruck. Er lachte viel und freute sich auch sehr über das Lebensmittelpaket und die Toblerone aus der Schweiz.

Besichtigung der Ferienanlage

Die Camps für Menschen mit Behinderungen, die Bruder Dima organisiert, sind eine bedeutende Säule seiner Arbeit. Zweimal im Jahr – im Mai und im September – finden sie auf einem christlich geführten Gelände statt. Es wird viel gemeinsam gesungen, gebetet, gegessen und gelacht. Seit 10 Jahren können wir mit den uns anvertrauten Spenden dies Camps finanzieren. Wir konnten die Anlage besichtigen und uns ein Bild der Unterkunft und der Freizeitmöglichkeiten machen. Die Anlage ist zwar nicht wirklich barrierefrei. Aber Angesichts der Lebensumstände der Menschen, die wir in diesen Tagen besucht haben, bietet die Anlage einen sehr angenehmen Rahmen für eine erholsame Auszeit.
Mit dem Camp im Mai dieses Jahres feiert Bruder Dima das 25-jährige Jubiläum. Eingeladen sind Ehepaare, die sich einst im Camp kennengelernt haben – ein lebendiges Zeugnis für Hoffnung und Gemeinschaft.

Praktische Hilfe im Alltag

Neben den Besuchen erhielten wir auch einen Einblick in das beeindruckende Hilfsmittellager von Bruder Dima. Er erhält zweimal im Jahr eine Lieferung von medizinischen Produkten und Hilfsmitteln wie Rollstühle, Gehhilfen, Betten, Windeln etc. Fast täglich treffen bei Bruder Dima Anfragen nach Material ein, denen er mit Hilfe seiner engsten Mitarbeitenden umgehend zu entsprechen sucht.

Fazit: Hilfe, die ankommt – und bewegt

Was bleibt nach dieser Reise? Vor allem Dankbarkeit. Die zehn Hausbesuche öffneten unsere Augen für eine Realität, die weit weg scheint – und uns doch unmittelbar betrifft. Wir sahen Menschen, die mit unvorstellbaren Herausforderungen leben, ohne professionelle Pflege, ohne finanzielle Absicherung – aber mit tiefem Glauben, stillem Durchhaltewillen und berührender Dankbarkeit.

Die finanzielle Hilfe aus der Schweiz kommt durch die Arbeit von Bruder Dima direkt bei den Bedürftigen an. Im Moment vor allem durch die beiden Camps und gelegentlichen Nahrungsmittelpaketen. Es war für uns als Team zutiefst bestärkend, dies persönlich zu sehen und zu erleben.

Gleichzeitig wurde klar: Die medizinische Versorgung und Pflege der Menschen mit Behinderungen ist oft ungenügend. Es fehlt nicht nur an Geld, sondern an ausgebildetem Personal. Wir wollen deshalb in der kommenden Zeit prüfen, ob wir unsere Unterstützung allenfalls in die Richtung einer Verbesserung der Pflegesituation weiterentwickeln können.

Die Herausforderungen in Moldawien sind gross – aber sie sind nicht unlösbar. Und jede Hilfe zählt. Herzlichen Dank allen Spenderinnen und Spendern in der Schweiz!
Durch eure Unterstützung können wir Hoffnung schenken – konkret, sichtbar und nachhaltig.

Möchtest du helfen, diese wertvolle Arbeit fortzusetzen?
Dann freuen wir uns über deine Spende für die Arbeit von Bruder Dima und die Camps für Menschen mit Behinderungen in Moldawien.