Ein Geschenk für die Kirche
Das Jahrestreffen unseres Vereins in Interlaken ist ein fröhliches Wiedersehen von Freunden und solchen, die es noch werden könnten. Es ist aber auch ein Wochenende mit einem mehr oder weniger herausfordernden Thema. Dieses Jahr lautete der Titel «Meine Geschichte – ein Geschenk für die Kirche?!» Es geht also einerseits um meine Lebensgeschichte mit allen Auf und Abs, Freuden und Leiden, Möglichkeiten und Unmöglichkeiten. Und es geht darum, mich mit meiner Geschichte im Rucksack als Geschenk für die Kirche zu sehen.
In ihren Begrüssungsworten wies unsere Präsidentin Simone Leuenberger darauf hin, dass man manchmal auch Geschenke bekommt, die man lieber nicht möchte. «Ich wüsste zum Beispiel nicht, was ich mit einer Giraffe anfangen sollte», meinte sie. Kann man Geschenke also auch ablehnen oder zurückgeben? Und wie sieht es aus, wenn wir uns der Kirche verschenken möchten, die Reaktionen aber eher (stillschweigend seufzend) zum Ausdruck bringen: «Oje, mit däm heimer ds’Gschänk!»
Aber beginnen wir von vorne: Nach einem gemeinsamen Znacht am Freitagabend starteten wir mit einem Quiz, bei dem alle unsere fünf Sinne gefragt waren. Familie Bütikofer bereitete knifflige Fragen vor und die Teilnehmenden versuchten in Gruppen, die richtigen Antworten zu ertasten, herauszuhören, zu riechen oder wenn alles nichts nützte zu erraten. So galt es, Bütikofers Hühner beim Eierlegen von einem Delfin zu unterscheiden, Pfefferkörner zu ertasten oder die Länge der Sigriswiler Hängebrücke zu erraten. Die Fragen selektionierten stark und am Schluss gab es ein klares und sichtlich stolzes Siegerteam.
Den Samstag starteten wir mit einer Andacht von Ruth Bai-Pfeifer. Mit der Geschichte der Speisung der 5000 nahm sie bereits Bezug zum Thema des Wochenendes. Die Jünger beklagten sich in dieser Geschichte, dass die fünf Brote und zwei Fische viel zu wenig seien, um die grosse Menge satt zu machen. Und dennoch: es reichte für alle und es blieben sogar noch Reste übrig. Als Parallele zu unseren Leben könnte es auch sein, dass wir zu Jesus sagen: «Ich habe/bin zu wenig, wie soll ich für andere ein Geschenk sein?». Aber Jesus akzeptiert unser «zu wenig» nicht. Es ist oft ein steiniger Weg und harte Arbeit, unsere Geschichte zu akzeptieren. Aber genau so, wie wir sind, nimmt uns Gott an und will, dass wir unsere Leben hingeben. Und durch diese Hingabe wird Gott uns auch mit allem versorgen, was wir brauchen. Als Reminder an diese Andacht erhielten alle ein kleines Salzteig-Brötchen mit Magnet und Spruch für den Kühlschrank.
Am Nachmittag durften wir dann Tom Kurt als Referenten begrüssen. Tom ist Pastor bei der Bewegung Plus in Basel und lebt selbst mit einer chronischen Krankheit. In seinem Referat kam er zuerst auf den Moment in unserem Leben zu sprechen, in dem wir uns für Jesus entschieden haben und der Heilige Geist in uns Wohnung nahm. Tom wies darauf hin, dass der Heilige Geist nicht in eine leere Flasche kam. Da war schon ganz viel vorhanden, das uns ausmacht: unser Geschlecht, unsere Kultur, unsere Erfahrungen, alles was wir gelernt haben, unsere Talente und unsere Einschränkungen. Tom betont, dass dies alles unsere Person ausmacht und dass Gott all dies zu einer Gabe (zu einem Charisma) Gottes macht. Und so sind wir mit allem, was wir sind und haben ein Geschenk für unser Umfeld und für unsere Kirche. Dabei ist auch ganz wichtig zu sehen, dass wir durch die Annahme von Jesus als Herrn und durch unsere Gotteskindschaft ein gleichwertiger Teil der christlichen Gemeinschaft sind. Jesus macht uns in all unseren Unterschieden gleich.
Der Samstagabend war traditionell dem Rück- und Ausblick gewidmet. Mit Bildern und Geschichten schauten wir auf die Anlässe im ausklingenden Jahr zurück und warfen einen Blick ins neue Jahr.
Ebenfalls Tradition hat der Gottesdienst am Sonntagmorgen. Neben den Teilnehmenden unseres GuB-Wochenendes waren auch die Bewohner/innen vom Zentrum Artos herzlich willkommen. Unsere Theologiestudentin Simona Büchi übernahm die Aufgabe der Gottesdienstleitung und Christoph Marti hielt wiederum die Predigt. Simona hat sich sehr gut vorbereitet und hat sich den Ablauf auf kleinen Spickzetteln notiert. Eine Viertelstunde vor dem Beginn des Gottesdienstes musste sie aber noch einen Flexibilitätstest durchlaufen. Es stellte sich heraus, dass eine kleine Festgesellschaft unter uns war, die den 100. Geburtstag von «Marieli» feierten. Mit dem Seelsorger des Hauses hat Marieli abgemacht, dass sie dann ein Lied wünschen dürfe. Dieser Wunsch ist aber nie bei uns angekommen. So blieb noch kurz Zeit, das Lied zu suchen, Gesangbücher zu verteilen und die musikalische Begleitung abzusprechen. Kurz entschlossen setzte sich der Sohn von Marieli ans Klavier und begleitete den vollen Saal beim Lied «Lobe den Herrn».
In seiner Predigt sprach Christoph über 1. Mose, 12, 1-3. Es ging ums Gesegnetsein und darum, ein Segen zu sein. Interessant waren schon mal die verschiedenen Formen, wie sich der Segen von Gott ausdrückt. Es fängt damit an, dass wir von Gott bei unserem Namen gerufen werden. Weiter geht es damit, dass wir Segen erfahren, wenn wir unseren persönlichen Weg gehen, den Gott vorbereitet hat. Weiter sind wir gesegnet, wenn wir von Gott behütet sind sowie seine Gnade und seinen Frieden erfahren. Auch Christoph kommt zum Schluss, dass wir so wie wir sind für andere ein Segen sein dürfen und sollen; nicht aufgrund irgendeiner Leistung, sondern indem wir sind, wer wir sind.
Zwischen all diesen Inputs von vorne gab es viel Zeiten des Austauschs, gemeinsamen Essens, Lachens und Betens. Diese Zeiten sind wie der Kitt, der das ganze Wochenende zusammenhält. Ohne diesen Kitt wäre das Wochenende von Glaube und Behinderung nicht, was es ist. Und vielleicht ist es dem einen oder anderen erst wieder zu Hause aufgefallen, dass er oder sie an diesem Wochenende in Interlaken für andere ein Geschenk war.
