Die Krankheit lehrte mich Barmherzigkeit

Januar 2015, von Ruth Bai-Pfeifer

Vor ca. 8 Jahren begannen die ersten Anzeichen meiner Erkrankung. In der Nacht zitterten mein Bein und die Hand auf der rechten Seite. Zuerst habe ich es ignoriert. Aber dann hat mich das zunehmend innerlich beunruhigt. Deshalb begann ich im Internet zu recherchieren und bin bei der Eingabe der Symptome sehr schnell auf Parkinson gestossen. Die Aussicht, an dieser Krankheit zu leiden, trieb mich schon herum, aber ich wollte die Realität nicht wahr haben. Erst zwei Jahre später suchte ich einen Arzt auf. Dieser konfrontierte mich mit der Diagnose Parkinson. Der Arzt verschrieb mir Medikamente. Ich musste die Bereitschaft haben, diese Medikamente zu nehmen, auf die Stunde genau. Die Medikamente schlugen an und es ging mir anfangs besser damit. Die Medikamente machen aber auch sehr müde.

Die Diagnose war ein Schock

Die klare Diagnose „Parkinson“ war ein Schock für mich. Ich befand mich in einem persönlichen Veränderungsprozess. Ich hatte gerade die Stelle gewechselt. Jetzt musste ich mich dieser Krankheit stellen. Ehrlich gesagt: ich haderte schon mit Gott. Ich musste mit Grenzen leben lernen. Das war etwas komplett Neues für mich. Ich war sonst immer schnell, organisiert, konnte mehrere Dinge gleichzeitig erledigen. Das geht jetzt nicht mehr. Ich muss mich auf das konzentrieren, was ich grade tue.

Mein Geruchssinn war zunehmend gestört. Ich konnte nicht mehr gut von Hand schreiben. Das Zittern nahm zu. Zudem hatte ich immer wieder Blockaden beim Gehen. Auch mein Gesichtsausdruck ist ernster geworden. Ich versuchte das Zittern zu vertuschen, indem ich während eines Gespräches mit einem Bleistift spielte. Auch gab es Leute in meinem Umfeld, die vermuteten, ich sei Alkoholikerin.

Spätestens jetzt musste und wollte ich mich outen. Die Leute sollen wissen, was ich wirklich habe.

Offene Kommunikation

Ich begann offen über meinen Parkinson zu sprechen. Seither lebe ich besser mit der Krankheit. Es war mir wichtig, dass mich die Leute trotzdem akzeptierten. Mit meinem Arbeitgeber habe ich von Anfang an offen darüber gesprochen. Er war sehr kooperativ. „Das schaffen wir“, meinte er. Das war sehr ermutigend.

Drei Mal in der Woche gehe ich ins Fitnessstudio. Dort bekomme ich auch regelmässig Massagen. Ich wandere gerne und fahre auch noch mit dem Fahrrad. Eine Operation ist für mich bis jetzt kein Thema.

Mein Glaube stärkt mich

Ich wüsste nicht, wie ich ohne Glauben an Gott mit dieser Diagnose leben könnte. Das regelmässige Gebet und das Lesen von Andachten, z.B. von Sarah Young, ermutigen mich sehr. Verschiedene Psalmen wie zum Beispiel Psalm 91, … „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem HERRN: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe. Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flügeln.“

Auch Verse aus den Psalmen trösten mich: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?“. Bibelverse, die ich früher gelernt habe, fallen mir in den Nächten, wenn ich nicht schlafen kann, wieder ein. Ich fühle mich dann ganz gut bei Gott aufgehoben. Musik ist für mich auch eine Kraftquelle, klassische- und Lobpreismusik, gibt mir Kraft und auch ganz alte Lieder trösten mich immer wieder. Und nicht zu vergessen: gute Freunde und meine Familie helfen mir sehr.

Neue Sicht für Not

Durch meine Arbeit bei World Vision und meine eigene Krankheit habe ich eine neue Sicht für schwache Menschen bekommen. Krankheit ist nur ein Teil von der Not auf dieser Welt. Früher habe ich andere Menschen knallhart abgeurteilt. Heute sehe ich vieles anders. Gott hat mich Barmherzigkeit gelehrt durch diese Krankheit. Meine Sicht für Schwache hat sich verändert und mich sensibler gemacht. Selbst in der Präambel der Schweizer Bundesverfassung steht: „Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen.“
Heute ist es mir ein Anliegen, den Menschen mit offenen Augen zu begegnen und ihre Nöte zu sehen. Ich möchte neben dem Glauben an Gott auch an schwächere Menschen glauben und ihnen eine Chance geben. Gott glaubt an mich. Glaube – Hoffnung – Liebe. Meine Krankheit hat Sinn – wenn er mir diese Krankheit nicht wegnimmt, muss sie zum Segen dienen.

Infos zum Artikel

Lebensbericht wurde in dieser Infozeitschrift veröffentlicht:
GuB_Info-Zeitschrift_2015_1, Seite 15

Steckbrief

Erica Maurer, 1954, verheiratet

4 Kinder, 9 Enkel

Leiterin Personal, World Vision

Aktiv im Leben

Hobbies: Skifahren, kochen, nähen, puzzeln: 1000 – 2000 Teile.

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