Datum: 6. Juli 2024 - 18. Juli 2024
Ort: Rheinsberg Deutschland, Seehotel Rheinsberg
Es ist genau 14 Jahre her, seit der letzten grossen Reise von Glaube und Behinderung nach Rheinsberg. 47 reiselustige Leute zwischen 20 und 78 Jahren waren dieses Jahr mit von der Partie. Rheinsberg liegt im Norden von Deutschland, eine gute Autostunde nördlich von Berlin. Der Name der Stadt weist nicht etwa auf eine Lage am Rhein hin, sondern hat seinen Bezug vom Flüsschen Rhin, welches in Rheinsberg in den Grienericksee fliesst. Rheinsberg liegt am Rande der mecklenburgischen Seenplatte. Da es aber noch mehr Wald als Wasser hat in dieser Gegend, könnte man ihr gut auch Waldplatte sagen. Das Wichtigste: Es ist im Städtchen selbst und auch in der näheren Umgebung alles flach und rollstuhlgängig … abgesehen von einigen Pflastersteinstrassen aus DDR-Zeiten.
Der grösste Teil der Teilnehmenden ist mit dem Car angereist. Die Strecke von rund 1000 Kilometern haben wir mit einer Übernachtung in der Nähe von Erfurt in zwei geteilt. Die restlichen Teilnehmenden sind mit dem Flugzeug von Zürich nach Berlin angereist und wurden dort von einem lokalen Busunternehmer abgeholt. Die Anreise der Fluggruppe war wegen dem allgemeinen Sommerferienstart, IT-Problemen bei Skyguide und unauffindbaren Angaben zu einem Elektrorollstuhl ziemlich stressig. Sie haben sich die Ferien redlich verdient.
Einer der wichtigsten Erholungsfaktoren war das Seehotel, in dem wir untergebracht waren. Das Hotel wurde eigens für Menschen mit Behinderung gebaut und ist Deutschlands grösstes barrierefreies Hotel. Alle Zimmer und die Bereiche für Freizeit- und Sportaktivitäten sind grosszügig, komfortabel und barrierefrei ausgestattet. So hatten unsere Teilnehmenden alles, was sie für einen erholsamen Ferienalltag benötigten. Auch die Küche mit dem reichen Frühstücksbuffet und dem vielfältigen Buffet am Abend liess kaum Wünsche offen. Das Haus verfügt weiter über ein barrierefreies Hallenbad, Massageangebote, Kegelbahn und last but not least einen erfrischenden See gleich vor der Balkontüre.
Dank der Anreise mit einem Car aus der Schweiz stand uns während den ganzen Ferien ein Fahrzeug für Ausflüge zur Verfügung. Ausser an zwei Ruhetagen für den Chauffeur war jeden Tag ein Teil der Gruppe unterwegs. Apropos Chauffeur: Da haben wir mit Jorgos wirklich den Lottosechser gezogen. Vom ersten Tag an haben wir ihn in unser Herz geschlossen (andersherum wohl auch). Er wurde rasch zum 48. Mitglied unserer Reisegruppe und verbrachte sogar die Ruhetage mit uns.
Die grossen Ausflüge nach Berlin und Warnemünde haben wir zweimal angeboten, weil der Car zu klein war für die ganze Gruppe. So fuhren wir unter anderem zweimal nach Berlin. Bei unserem ersten Besuch in der Hauptstadt zeigte sich leider, dass das ganze Areal um das Brandenburger Tor wegen einem der Halbfinalspiele der Fussball-EM abgesperrt war. Entschädigt wurde die Gruppe durch eine spontane Begegnung mit der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Für ein Gespräch hatte sie zwar keine Zeit, aber für ein Foto im Vorbeihuschen hat es gereicht. Die zweite Gruppe hatte zwei Tage später keinen Promi-Bonus, durfte dafür vor dem Brandenburger Tor ein Foto schiessen.
Weitere Ausflüge führten uns nach Warnemünde an der Ostsee, in die Rosenstadt Wittstock, zu einem Tierpark und zur Gedenkstätte des KZ Ravensbrück. Für all jene, die nicht am Ausflug mit dem Car teilnahmen, gab es jeweils ein anderes Programm wie z.B. kleine Wanderungen rund um den See, Schifffahrten, ein Besuch im Porzellanmuseum oder ein Handlettering-Workshop. An einem der Ruhetage machten wir eine 2,5-stündige 5-Seenrundfahrt. Eines der Schiffe war komplett barrierefrei und verfügte sogar über einen Lift, mit dem man auch im Rollstuhl aufs Oberdeck gelangen konnte. Neben der schönen Landschaft und den feinen Fischbrötchen aus der Bordküche hinterliess vor allem der Kapitän mit seinem flachen ostdeutschen Humor bleibende Spuren bei den Passagieren. Und trotz so vielen Ausflugsangeboten: selbstverständlich waren alle frei, diese zu nutzen oder auf eigene Faust etwas zu unternehmen.
Fast jeden Tag haben wir uns am Morgen nach dem Frühstück oder am Abend zu ein paar Liedern und einer Andacht von Christoph Marti getroffen. Das Thema der Woche lautete «Wachsen, reifen, Frucht tragen». Gott sei Dank hatte Christoph noch eine Reserveandacht dabei. Denn am Sonntag wollten wir eigentlich den Gottesdienst in der örtlichen Kirche besuchen. Eine Viertelstunde, bevor wir im Hotel abmarschieren wollten, erreichte uns die Mitteilung über die Rezeption, dass der Pfarrer krank sei und der Gottesdienst ausfalle. Spontan haben wir entschieden, trotzdem hinzugehen und in der Kirche ein paar Lieder zu singen und einander zu erzählen, was wir mit Gott erleben. Dazu bot Christoph an, eben diese Reserveandacht mitzunehmen und in der Kirche zu halten. Super! Dann haben wir schon fast einen Gottesdienst zusammen. Im Städtchen angekommen füllte sich die Kirche zusehends mit Leuten, die nichts vom abgesagten Gottesdienst mitbekommen haben. Wir streckten zu viert die Köpfe zusammen und legten den Ablauf fest. Es blieb uns noch eine Viertelstunde. Dann verteilten wir die Kirchengesangbücher und baten unsere Leute, geeignete Lieder rauszusuchen. Punkt 10:15 Uhr begrüssten wir die versammelte Gemeinde, erklärten wer wir sind und dass wir alle heute Morgen Zeugen eines «friendly takeovers» der Kirche Rheinsberg werden. Es folgten Gebete, Lieder, die Andacht und der abschliessende Segen. Punkt 11:00 Uhr war unser improvisierter Gottesdienst vorüber. Viele Leute bedankten sich herzlich und zeigten sich erfreut über unsere Spontaneität.
Dieser Sonntagvormittag in Rheinsberg zeigte einmal mehr, was in diesem manchmal etwas verrückten Haufen von Glaube und Behinderung steckt. Es haben zwar alle ihre Begrenzungen, aber auch ihre Begabungen und vor allem Kreativität und Mut, um in besonderen Situationen Lösungen zu finden. Und genau diese Mischung erlaubte es uns, spontan einen Gottesdienst an einem fremden Ort mit fremden Leuten zu gestalten.
Für die einen war dieser Sonntagmorgen der Höhepunkt der Ferien. Für andere vielleicht die Schifffahrten auf dem See, die geschichtsträchtigen Orte in Berlin, die frische Brise von der Ostsee oder einfach die tolle Gemeinschaft in der Gruppe. Was auch immer es war: Bei der Verabschiedung vor dem Hotel waren ausschliesslich zufriedene und erholte Gesichter zu sehen. Vielen herzlichen Dank an alle, die zu dieser tollen Woche beigetragen haben. Insbesondere gilt der Dank den Begleitpersonen, ohne die solche Ferien für einige nicht möglich wären.