Begegnungstag und MV

Datum: 18. März 2023, 09:00
Ort: Aarau, EMK Aarau

Liebhaber oder Assistent?

Wir haben schon mehrere Male versucht, Gabi Rechsteiner als Referentin an unser Wochenende in Interlaken einzuladen. Beim ersten Versuch kam ihre Tochter just an diesem Wochenende zur Welt. Beim nächsten Versuch ein Jahr später war die erste Geburiparty angesagt, an der Mama nicht fehlen durfte. So haben wir Gabi halt um einen Einsatz im Frühling gebeten. Und siehe da: dieses Mal hat es geklappt.

Nach dem Begrüssungskaffee und der Lobpreiszeit ergriff Gabi Rechsteiner mit heiserer Stimme das Wort und führte ein in ihren Vortrag unter dem Titel «Liebhaber oder Assistent? Wenn mein Partner mehr sieht als ich». Gabi ist Psychologin und Psychotherapeutin und seit ihrer Jugendzeit aufgrund einer degenerativen Augenerkrankung blind. Sie ist in ihrem Leben auf Unterstützer angewiesen, die mehr sehen als sie selbst. Dazu gehört ihr Mann Markus und auch ihr Führhund. Der dritte im Bund ist ihr Blindenstock. «Dieser sei schweigsamer und führbarer als mein Mann», fügt Gabi mit einem Augenzwinkern hinzu.

In ihrem ersten Punkt betont Gabi Rechsteiner, dass wir Menschen auf Bindung und Beziehung angelegt seien. Wir sind darauf angewiesen, von anderen gesehen und geliebt zu werden und solide Bindungen aufbauen zu können.  Aus ihrer Sicht wäre es richtiger,  bei der Geburt eines Kindes zu sagen «Hauptsache geliebt» und nicht «Hauptsache gesund». Wir Menschen sind aber auch ergänzungsbedürftig. Anhand von Beispielen aus der Bibel und aus der heutigen Zeit zeigte Gabi auf, dass beide Partner in einer Beziehung unterschiedliche Stärken und Begabungen haben und in die Beziehung einbringen. Was beide einbringen, sollte sich auf dem Beziehungskonto aber einigermassen die Waage halten. Herausfordernd kann es werden, wenn dieses Beziehungskonto zum Beispiel wegen der Behinderung eines Partners in Schieflage gerät. Hier ermutigt Gabi die Zuhörerinnen und Zuhörer, an der eigenen Akzeptanz zu arbeiten, Hilfe auf eine gesunde Art anzunehmen und auch immer klar seine Bedürfnisse und Wünsche zu kommunizieren. Auch das Gegenüber ohne Behinderung ist gefordert. Hier geht es darum, die fehlende Balance immer wieder auszuhalten und sich der Gefahren von Überbehütung oder Machtmissbrauch bewusst zu sein. Auch ihnen hilft eine klare und transparente Kommunikation. Abschliessend zeigte Gabi Rechsteiner auf, dass keine Situation in unserem Leben unveränderbar ist und bleibt, sondern wir uns immer wieder weiterentwickeln. Jede auch noch so schwierige Situation kann als Phase in unserem Leben bezeichnet werden, die früher oder später vorbeigehen wird.

Im Anschluss an diesen Input lud Simone Leuenberger neben der Referentin noch drei weitere Gäste zu einem Podiumsgespräch ein. Sie alle leben in einer solchen Beziehung, die in Schieflage geraten könnte.
Markus Fankhauser lebt seit Geburt mit einer spinalen Muskelatrophie Typ II und ist rund um die Uhr auf Assistenzpersonen angewiesen. «Ohne die Hilfe von anderen würde ich verdursten und verhungern», bringt Markus seine Situation auf den Punkt. Er sei zwar auf den ersten Blick von den vielen Menschen um ihn herum abhängig. Anderseits fühle er sich auch selbstständig, weil er seinen Tag selbst plant und bestimmt, wohin er gehen und was er machen will. Im letzten Jahr organisierte er auf eigene Faus eine Reise durch die USA … zusammen mit vier Assistenzpersonen.
Doris Stettler genoss wunderschöne und glückliche erste zehn Ehejahre mit ihrem Mann Daniel. An einem Morgen verabschiedete sich Daniel von seiner Frau mit einer herzberührenden Liebeserklärung, bevor er zur Arbeit ging. Es war jener Tag, als ein Hirnschlag das Leben von Daniel und der ganzen Familie auf den Kopf stellte. Zusammen haben sie sich zurück in eine neue Form ihrer Beziehung gekämpft, in der beide andere Dinge auf das gemeinsame Beziehungskonto einzahlen als vorher.
Regula Walther ist die Mutter von Kathrin, die mit CP, ADHS und seit Kurzem mit Diabetes Typ1lebt. Als Mutter bleibe man immer Mutter und mit seinem Kind verbunden. Die Verbindung mit Kathrin sei aber schon deutlich enger, obwohl sie sowohl bezüglich Wohnen und auch Arbeiten eine grosse Selbstständigkeit erreicht habe.
Mit Fragen aus dem Publikum ging dieser eindrückliche und berührende Vormittag im Flug vorbei. Stoff für den Austausch beim Mittagessen war genügend vorhanden.

Mitgliederversammlung

Für eben dieses Mittagessen sorgte heuer Elsbeth Sigrist mit ihrem Team. Wir wurden mit einem feinen Fleischkäse, Kartoffel- und Rüblisalat sowie einem Fruchtsalat zum Dessert verwöhnt. Die Zeit beim Essen war fast zu kurz, um sich mit allen auszutauschen, die man seit längerer Zeit nicht mehr gesehen hat. Denn kaum war das Dessert verschlungen und der Kaffee getrunken, lud unsere Präsidentin Susanne Furrer zur Mitgliederversammlung ein.

Aus dem letzten Vereinsjahr gibt es einiges zu berichten. Einerseits hat sich Glaube und Behinderung an drei neuen Anlässen engagiert. Das young@gub-Weekend und die Wanderwoche sind zwei neue Angebote in unserem Veranstaltungskalender. Und Ende Jahr war ein Team am PraiseCamp engagiert und sorgte für einen möglichst hindernisfreien Event mit über 6000 Jugendlichen. Diese Zusatzengagements, das Defizit an der Fachtagung und die Unterstützung für Flüchtlinge mit Behinderung aus der Ukraine führten zu einem grösseren Defizit in der Jahresrechnung.  Sehr erfreulich zeigt sich die Entwicklung der Mitgliedschaften. Neben drei Austritten durften wir 16 neue Mitglieder bei GuB begrüssen. Im Traktandum «Wahlen» mussten wir Steffi Ammann aus dem Vorstand verabschieden. Susanne Furrer bedankte sich bei ihr für all ihre Beiträge im Vorstand. Wir sind dankbar, dass sich Steffi auch weiterhin für das young@gub-Weekend einsetzen wird. Ebenfalls verabschieden mussten wir uns von Markus Rechsteiner, einem unserer beiden Revisoren. Da er inzwischen in einer Treuhandfirma beruflich Revisionen macht, ist ihm eine klare Trennung zwischen Beruf und Freiwilligenarbeit wichtig. Auch die Arbeit von Markus wurde mit Applaus von der Versammlung verdankt.

Das Ende der Versammlung war zugleich der Start des Kuchen- und Kaffeebuffets. Die Gelegenheit zum Austausch wurde nochmals rege genutzt. Weil bereits um 17 Uhr wieder eine Versammlung in den Räumen der EMK anberaumt war, stellten wir einen neuen Rekord im Aufräumen und Putzen auf. Ein schöner Bewies für das gut eingespielte Team von Glaube und Behinderung.

Infos zum Artikel

Unsere Referentin

Gabi Rechsteiner-Spörri

Sie arbeitet als Psychotherapeutin im Zürcher Oberland und ist aufgrund einer degenerativen Augenerkrankung «legally blind». Sie ist mit Mann, Kind, Hund, Kater und Blindenstock 15-beinig in ihrem Alltag unterwegs und übt sich immer wieder in fröhlicher Gelassenheit.

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