Begegnungstag in Männedorf

Datum: 22. August 2020, 09:15
Ort: Männedorf, Bibelheim Männedorf

"Gott macht mich zu einem heiligen Sandwich"

Es ist ein langersehntes und fröhliches Wiedersehen im Bibelheim Männedorf. Nach dem Corona-Lockdown und abgesagten Anlässen können wir endlich wieder einen GuB-Anlass durchführen und die Möglichkeit für einen persönlichen Kontakt bieten. Die Corona-Sicherheitsbestimmungen halten wir so gut wie möglich ein und in der Kapelle haben wir zum Glück viel Platz, um in genügender Distanz voneinander zu sitzen und zu singen.

Schon vor dem offiziellen Beginn klingen beschwingte Klavierklänge durch die grosse Kapelle. Unser Gast Gerd Bingemann spielt sich und das Klavier warm und gibt schon mal einen Vorgeschmack darauf, was uns am heutigen Tag erwarten wird. Punkt 10 Uhr begrüsst Susanne Furrer die gut 30 angereisten Teilnehmenden. Anschliessend erzählt Gerd Bingemann aus seinem Leben und gibt dazwischen immer wieder ein Müsterli aus seinem musikalischen Schaffen.

Im Laufe der ersten Primarschuljahre hat eine wahrscheinlich vererbte Erkrankung der Netzhaut eine starke Sehbehinderung bei Gerd hervorgerufen. Inzwischen ist er praktisch blind und kann nur noch Licht und Dunkelheit unterscheiden. Nach der Schulzeit entschied sich Gerd für das Studium der Rechtswissenschaften, welches ihm heute bei seiner Arbeit bei szblind (Schweizerischer Zentralverein für das Blindenwesen) teilweise zugutekommt.

Im Verlauf des Gesprächs wird klar, dass seine Beziehung zu Jesus seine grösste Leidenschaft ist, dicht gefolgt von der Musik. «Der Glaube, die Musik und mein ganzes Sein sind dicht miteinander verwoben. Das Eine lässt sich nicht vom Anderen trennen». Wie dies zu verstehen ist, zeigt er gleich am Beispiel eines selber komponierten Stücks. Auf dem Heimweg von der Arbeit kam ihm kürzlich eine Basslinie (eine Tonfolge für die Bassstimme) in den Sinn. Er summte diese leise vor sich hin und setzte sich zu Hause gleich ans Klavier. Die Basslinie ergänzte er mit einer Folge von passenden Moll-Akkorden. Es folgte ein intensiver Mittelteil und schliesslich ein leichter und fröhlicher Abschluss. Alle diese Teile haben eine Bedeutung. Die Bassline und die Moll-Akkorde stehen für den Frust über seine Beeinträchtigung und deren täglichen Auswirkungen, wenn er sich zum Beispiel wieder mal heftig den Kopf anstösst oder eine Tasse zu Boden und in Brüche geht. Im intensiven, ja schon fast aggressiven Mittelteil schmeisst er all diesen Frust bei Jesus ans Kreuz. Denn ER hat all unsere Krankheiten, unser Leiden und unseren Frust am Kreuz getragen. Und er ist es, der uns seinen himmlischen Frieden ins Herz schenkt, der schöner und grösser ist als jeder andere Trost auf dieser Welt. Für diesen tiefen Frieden steht dann der letzte fröhliche Teil seiner Komposition.

Die Musik ist für Gerd eine zweite Sprache sowie ein Zugang zu Gott und den Menschen. Oft kommt er bei seinen Auftritten in tiefe Gespräche mit Menschen, die sich durch ein bestimmtes Stück oder seine positive und ermutigende Ausstrahlung angesprochen fühlen. «Und was sagst du jemandem, der selber mit einer Behinderung lebt und von den Christen masslos enttäuscht ist, weil sie ihm immer wieder Heilung «versprochen» haben?» wollte Susanne Furrer von Gerd wissen. «Ich hätte Verständnis für seine Enttäuschung und würde ihn für meine Geschwister um Vergebung bitten» wäre Gerds erste Antwort. Er ist überzeugt und darf es immer wieder erfahren, dass bei Gott viel mehr ist als nur die Hoffnung auf physische und psychische Heilung. «Er umgibt mich mit seiner Liebe und bewohnt mich mit seinem Frieden – so macht er mich quasi zu einem heiligen Sandwich, auch wenn er mein Gebrechen nicht heilt.»

Nach dem feinen Mittagessen gesellt sich Ursula Bingemann neben ihren Mann auf die Bühne. Sie berichten von ihrem Kennenlernen und von ihrem gemeinsamen aber doch individuellen Weg zum Glauben an Jesus. Während sich Ursula von Gerds virtuosen Klavierspiel verzaubern liess, waren es bei Gerd die langen Haare und das Lachen von Ursula. In der ersten Zeit war Gerd im Büro noch viel mehr auf die Unterstützung seiner Frau angewiesen. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten hat er mehr Selbstständigkeit gewonnen. Auch Ursula hat eine grosse kreative Ader. Vor ein paar Jahren absolvierte sie eine einjährige Weiterbildung an der Schule für Gestaltung. «Dies war das beste Jahr in meinem Leben. Die Ausbildung hat mir im Bereich von Farben, Formen und Raum neue Welten geöffnet». Seit geraumer Zeit hat Ursula nun ein Atelier im Siloturm, dem höchsten Gebäude von Wil. Wann immer sie will, kann sie mit dem Lift bis aufs Dach fahren und unter freiem Himmel malen. Was für ein Privileg.

Bei Kaffee und Dessert gibt es nochmals die Gelegenheit für Gespräche und einen regen Austausch über himmlische und weltliche Themen. Und alle freuen sich schon auf das Wiedersehen am GuB-Wochenende in Interlaken von Ende Oktober.

Infos zum Artikel

Für Kurzentschlossene - Begegnungstag in Bern 29. August 2020 - mit Andreas und Astrid Hahn

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